MEIN HAUS
Meine Memoiren
Die Villa war einst ein Bauernhaus, gemäß den Erinnerungen von meiner Tante Chiara, die Schwester meines Vaters. “Oliverio”, das ist der ursprüngliche Name des Hauses, gab es schon seit 1860; der Name kommt daher, dass das Bauernhaus von vielen Olivenbäumen umgeben war. Ich, Rachele, wurde 1934 in Mailand geboren. Als ich 5 Jahre alt war, mußte ich mit meiner Familie wegen der Bombardierung von der Großstadt fliehen und wir zogen alle in das Haus meiner Großeltern, die im historischen Ortszentrum von Bellagio wohnten. Oliverio war das Ferienhaus der Familie und wir, die Kinder, konnten hier ohne Sorgen spielen. Wir waren alle unbekümmert, obwohl diese Zeit jeden Tag gefährlicher wurde…es war Kriegszeit.
Das alte Bauernhaus hatte weder Wasser noch Licht, abends benutzten wir eine Leuchtöllampe und draußen stand, und steht heute noch, ein Brunnen, woraus wir frisches Wasser schöpfen konnten. Mein Großvater besaß ein Bötchen, “Berenice”, womit er die reichen Gäste der Hotels auf den See herumführte und dabei Informationen gab; er erzählte ebenfalls kleine Geschichten, die zum Teil wahr, zum Teil angenommen waren, jedenfalls sind sie noch heute faszinierend. Um die obere Etage zu erreichen, mußte man eine steinerne Außentreppe hochsteigen..es scheint jetzt unglaublich, daß wir imstande waren, ein derartig einfaches Leben zu führen.
Großmutter Maria
die eigentlich di Schwester meines Großvaters war, erzog Seidenraupen. Im Zimmer hängten zwei große Holzbretter, die mit Maulbeerblätter für die Raupen bedeckt waren. Ich fand das Ganze ziemlich ekelhaft, aber danach sahen meine kleine Kinderaugen den gelben Seidenkokon, in dem sich die Raupen einschloßen um sich dann in eine Larve zu entwickeln, wie ein Wunder. Meine Großeltern hatten keine Tiere, nur Hühnchen und eine sehr schöne Katze, die mit uns lebte. Die große Wiese war mit Weingarten, Mais und Kartoffeln angepflanzt; Tante Chiara kümmerte sich um ihren Gemüsegarten und brachte allerhand Gemüse, die die Familie brauchte und schätzte.
Eine meiner Lieblingserinnerungen
hat mit der Weinlese zu tun: die Freunde meines Großvaters hoben mich auf ihre Schultern in den Fass voll von Weintrauben und ich stampfte dann mit kalten und nackten Beinen auf die Trauben und hatte sehr viel Spaß. Tante Chiara war eine sehr guter Köchin und bereitete im Kupferkessel beim Kaminfeuer eine Polenta zu, mit Würste und Eier; mit diesen feinen Gerichte zogen wir alle zusammen auf die Wiese für ein Picknick! Viele Jahre sind vorbeigegangen, das alte Bauernhaus ist mehrmals renoviert worden, aber die alte Seele ist dieselbe geblieben. Heute heißt es Villa Olivee und es verwahrt viele Erinnerungen der Menschen, die hier gelebt haben. Von mir wurde dieser Ort immer geliebt, für immer und es bleibt für mich immer mein beliebtes Oliverio…mein Haus…meine Memoiren